Zahlreiche innovative Produkte
Eigene Entwicklung & Fertigung
Magazin > Praxis > Peters Problemlöser > Alles richtig herum?
Praxis

Alles richtig herum?

Aufrechte und seitenrichtige Abbildungen im Teleskop

Seitenverkehrt, auf dem Kopf, oder beides zugleich - wie hätten Sie's denn gern? Glücklicherweise gibt es "richtig herum".

Die Abbildung
eines Objektivs
ist seitenverkehrt
und auf dem Kopf
stehend. Das ist bei
vielen Beobachtungen
unproblematisch, kann
aber manchmal stören. P. Oden Die Abbildung eines Objektivs ist seitenverkehrt und auf dem Kopf stehend. Das ist bei vielen Beobachtungen unproblematisch, kann aber manchmal stören. P. Oden

Für manche Beobachtungen ist es wichtig, dass das Bild des anvisierten Objektes weder seitenverkehrt ist noch auf dem Kopf steht. Ein Prisma allein reicht dann nicht aus, um ein korrekt orientiertes Bild zu erhalten. Ein Amici-Prisma kann helfen.

Jeder Besitzer eines Teleskops kennt den Effekt, dass die visuelle Abbildung im Teleskop seitenverkehrt ist und auf dem Kopf steht. Dies liegt in den optischen Eigenschaften des Teleskops begründet, bei dem das Objektiv (Linse oder Spiegel) ein Abbild des Objektes erzeugt (das bereits seitenverkehrt und auf dem Kopf stehend ist), welches dann mit dem Okular wie mit einer Lupe betrachtet wird.

Alles auf dem Kopf

Dieser Effekt stört im Teleskop weniger, wenn zum Beispiel ein Sternhaufen beobachtet wird. Er stört dagegen schon spürbar, wenn man sich einem unbekannten Ziel durch Starhopping nähern will. Bewegt man das Teleskop etwas nach links, so verschiebt sich das Bild im Okular jedoch nach rechts. Schaut man sich ein Deep-Sky-Objekt oder gar den Mond auf der Suche nach einem bestimmten Detail näher an, muss man im Kopf immer umdenken, wenn man etwa einen Mondatlas als Hilfsmittel benutzt. Man kann natürlich den Mondatlas einfach herumdrehen, nur stehen dann natürlich leider die Beschriftung auf dem Kopf, was ebenfalls wieder hinderlich ist.

Ein wenig hilft an dieser Stelle der Einsatz eines oft verwendeten Zenitprismas. Hier liegt im Strahlengang ein mit 45° schräggestellter Spiegel (oder tatsächlich die reflektierende Fläche eines Glasprismas). Durch die Reflexion an diesem Spiegel wird der Strahlengang dann insgesamt um 90° nach oben oder zur Seite abgelenkt. Dies bewirkt nicht nur ein deutlich angenehmeres Einblickverhalten – besonders bei höherstehenden Objekten – sondern gleichzeitig durch die Spiegelung an einer horizontalen Achse ein aufrecht stehendes Bild, das allerdings immer noch seitenverkehrt ist.

Ein Amici-Prisma neben einem Zenitprisma. P. Oden Ein Amici-Prisma neben einem Zenitprisma. P. Oden

Mit dem aufrecht stehenden Bild kann man sich etwa am Mond oder auch bei terrestrischen Beobachtungen schon deutlich besser orientieren und zurechtfinden. Es geht aber noch besser! Fast jeder Teleskopbesitzer hat auch einen Feldstecher zu Hause, bei dem ja nun die Abbildung aufrecht und seitenrichtig ist. Im Feldstecher sind üblicherweise auf beiden Seiten je zwei Prismen verbaut. Diese dienen einerseits dazu, durch einen "gefalteten" Strahlengang die Baulänge des Feldstechers zu verkürzen, und andererseits sorgen sie durch geschickte Anordnung dafür, dass im ersten Prisma ein aufrechtes, aber immer noch seitenverkehrtes Bild erzeugt wird. Das zweite Prisma erzeugt dann ein seitenrichtiges Bild.

Nun könnte man am Teleskop genau diesen Effekt mit zwei hintereinander angeordneten Zenitprismen erhalten. Allerdings wäre dies eine sehr wacklige und unhandliche Angelegenheit und würde bei vielen Teleskopen gar nicht funktionieren, weil der optische Weg so stark verlängert wird, dass man gar nicht mehr in den Fokus käme.

Abhilfe durch Amici-Prisma

Seitliche Ansicht eines Amici-Prismas. Durch den Strahlenverlauf werden im Bild
oben und unten vertauscht. Das Bild wäre ohne
weitere Beeinflussung aber immer noch seitenverkehrt.
Die Besonderheit des Amici-Prismas: Die
unten liegende Fläche ist nicht eben, sondern
in Form eines Daches mit zwei zueinander
senkrecht stehenden Teilflächen ausgebildet. P. Oden Seitliche Ansicht eines Amici-Prismas. Durch den Strahlenverlauf werden im Bild oben und unten vertauscht. Das Bild wäre ohne weitere Beeinflussung aber immer noch seitenverkehrt. Die Besonderheit des Amici-Prismas: Die unten liegende Fläche ist nicht eben, sondern in Form eines Daches mit zwei zueinander senkrecht stehenden Teilflächen ausgebildet. P. Oden

Erfolgreiche Abhilfe schafft hier der Einsatz eines sogenannten Amici-Prismas. Dies ist ein Zubehörteil, das auf den ersten Blick fast wie ein normales Zenitprisma aussieht, im Inneren allerdings etwas komplexer aufgebaut ist.

Amici-Prismen gibt es in zwei Bauarten, mit 45° und mit 90° Ablenkung, die aber beide ein seitenrichtiges, aufrecht stehendes Bild für den Betrachter erzeugen. Das Wirkprinzip ist bei beiden ebenfalls gleich. Ähnlich wie beim Zenitprisma wird das gesamte Strahlenbündel um insgesamt 90° oder 45° abgelenkt. Der "Trick" beim Amici-Prisma ist nun, dass die wichtigste reflektierende Fläche nicht eben ist, sondern wie ein Dach mit zwei schräg zueinanderstehenden Teilflächen aufgebaut ist.

Das gesamte, in das Amici-Prisma eintretende Strahlenbündel trifft auf diese beiden Teilflächen und wird dadurch in zwei Hälften aufgeteilt, die getrennt voneinander doppelt an diesen beiden Teilflächen gespiegelt werden und danach wieder zu einem gemeinsamen und nun gespiegelten Strahlenbündel zusammenlaufen und ihren Weg fortsetzen. Insgesamt erzeugt dieser Vorgang ein aufrechtes und seitenrichtiges Abbild. Damit das anschließende Zusammenfügen problemlos funktioniert und keine störenden Effekte im Bild entstehen, muss die Genauigkeit des Winkels der beiden Flächen zueinander sehr hoch sein. Auch wenn die Spiegelflächen nicht im Fokus liegen, sollte der Fehlwinkel für astronomische Nutzung ein bis zwei Bogensekunden nicht überschreiten.

Komplexer Strahlengang

Die linke und rechte Hälfte des Strahlenbündels werden
dadurch unterschiedlich reflektiert und anschließend
mit vertauschten Seiten zusammengeführt. Damit ist das Abbild jetzt nicht nur
aufrecht, sondern auch seitenrichtig. P. Oden Die linke und rechte Hälfte des Strahlenbündels werden dadurch unterschiedlich reflektiert und anschließend mit vertauschten Seiten zusammengeführt. Damit ist das Abbild jetzt nicht nur aufrecht, sondern auch seitenrichtig. P. Oden

Diesen Strahlengang im Amici-Prisma verständlich in einer Grafik darzustellen, ist nicht ganz einfach. Die Schwierigkeit liegt darin begründet, dass einerseits die Strahlen mehrfach reflektiert werden und andererseits das Strahlenbündel aufgeteilt und die beiden Hälften unterschiedlich reflektiert werden.

Der Einsatz eines Amici-Prismas ist wunderbar für eine visuelle Nutzung geeignet, wenn man den Mond oder terrestrische Objekte beobachtet, da hier das Abbild genauso aussieht, wie man es erwartet. Für eine fotografische Nutzung ist es dagegen unnötig, denn das erzeugte Bild braucht ja hinterher lediglich gedreht zu werden. Außerdem wäre der Einsatz sogar kontraproduktiv, denn durch die zwei Oberflächen, an denen das Strahlenbündel ein- und austritt, und die vier Flächen, an denen es reflektiert wird, kommt es doch zu spürbaren Helligkeits- und Kontrastverlusten, die man gerade bei der Astrofotografie unbedingt vermeiden möchte.

Zum Schluss noch ein Hinweis: Das hier Geschriebene gilt weitgehend für Refraktoren, Schmidt-Cassegrains (SCs), Richie-Chretiens (RCs) und Maksutovs, nicht jedoch für Newton-Teleskope, da hier zur seitlichen Ablenkung der Lichtstrahlen bereits ein Spiegel (Fangspiegel) im Strahlengang verbaut ist.

Autor: Peter Oden / lizenz: Oculum-Verlag GmbH