Smarter Einstieg: Celestron StarSense Explorer LT 70 AZ
Celestron kombiniert klassische Einsteiger-Teleskope und Dobsons mit seiner leistungsfähigen Smartphone-Navigation. Geht die Rechnung auf?
Mit StarSense in die Sterne starten
Ziele finden und visuell beobachten, ohne Vorkenntnisse und Rätselraten – das versprechen die StarSense Explorer-Teleskope von Celestron. Die Basis der Serie bilden konventionelle Achromaten, Newtons und Schmidt-Cassegrains von 70 mm bis 12 Zoll.
Für die Navigation hat Celestron eine clevere Lösung gefunden. Fast jeder verfügt heute über ein Smartphone. Celestron nutzt die eingebaute Kamera zur Aufnahme von Sternmustern am Himmel. Eine spezielle Smartphone-Halterung mit Spiegelsystem macht's möglich. Die StarSense App vergleicht diesen unverwechselbaren Fingerabdruck mit einer internen Datenbank und berechnet in Echtzeit, wohin das Teleskop zeigt.
Funktioniert diese Technik? Und wenn ja, wie gut?
Das wollen wir herausfinden.
Das Navi für den Sternhimmel
Einsteigern fällt es nicht leicht, sich am Himmel zu orientieren. Viele Objekte werden erst im Teleskop sichtbar, man kann sie also nicht direkt anpeilen. Und dann stellt sich noch die Frage: Was kann ich heute Nacht anschauen?
Wie das Navigationssystem im Auto kann uns die StarSense-App zu interessanten Zielen leiten. Und wie im Auto greift die Navigation nicht direkt ins Geschehen ein, das Teleskop wird von Hand bewegt. Schnell geht es trotzdem: Durch die Sternmuster-Erkennung funktioniert die App ohne vorheriges Ausrichten an Referenzsternen.
Die Beobachtung erfolgt klassisch durch das Okular, Astrofotografie mit längeren Belichtungen ist nicht vorgesehen. Die Teleskope der Serie sind azimutal montiert und verzichten auf Nachführung. Smartphone-Aufnahmen des Mondes sind aber natürlich immer möglich.
Den günstigsten Einstieg in die StarSense Explorer-Familie bietet der 70 mm f/10 Refraktor. Der Aufpreis für die Navigation ist gegenüber optisch und mechanisch vergleichbaren Einsteigerteleskopen moderat. Stellt sich die Frage, ob es sich um ein Gimmick handelt oder ein echter Mehrwert damit verbunden ist.
Alles drin in der Kiste?
Der mit 85 cm Länge recht kompakte und mit gut 5 kg auch noch tragbare Karton macht nicht nur unter dem Weihnachtsbaum eine gute Figur, zumal er weitgehend ohne geschäumte Kunststoffe auskommt. Die attraktive Verpackung zeigt Sternbilder und verzichtet auf spektakuläre Astrofotos, die unrealistische Vorstellungen wecken.
Zum Lieferumfang gehört die Optik, ein leichtes Stativ mit Okularablage und AZ-Gabelmontierung, das StarSense-Dock und ein Karton mit Zubehör – Leuchtpunktsucher, Zenitprisma, einfache 25 und 10 mm Okulare, eine 2x Barlow-Linse und ein Mikrofasertuch. Ein kleines Blechteil soll als Werkzeug dienen, vermutlich um dem Stativ durch Anziehen der Schrauben etwas zusätzliche Stabilität einzuhauchen.
Die gedruckte Kurzanleitung in mehreren Sprachen erklärt, wie das Teleskop richtig aufgestellt und der Leuchtpunktsucher ausgerichtet wird.
So nimmt StarSense Einsteiger an die Hand
Werfen wir einen Blick auf das Herz der Sache. Das StarSense-Dock kommt in einem grauen Stoffbeutel, der eine Prise Lifestyle in die Szene zaubert. Celestron hat Erfahrung mit Smartphone-Halterungen, das Dock funktioniert tadellos, nimmt kleine und große Geräte auf und die Kamera ist mit Hilfe von zwei Verstellschrauben schnell in Pole Position.
Die knapp 500 MB große App für Android und iOS ist kostenlos, für Einrichtung und Navigation muss ein Entsperrcode eingegeben werden, der dem Teleskop beiliegt. Pro Teleskop können bis zu 5 Smartphones freigeschaltet werden, das reicht für die ganze Familie oder mehrere neue Smartphones.
Die App startet mit einer gut gemachten Einführung. Bei Klick auf das Starsense-Icon fragt die App, ob das Smartphone ausgerichtet werden muss. Dieser Vorgang wird zu Beginn einmal bei Tageslicht gemacht, ähnlich der Ausrichtung eines Suchers an einem weit entfernten Objekt wie einem Kirchturm oder Baumwipfel. Dazu zentriert man das Objekt mit Hilfe des zuvor ebenfalls ausgerichteten Leuchtpunktsuchers im Okular und verschiebt anschließend das Bild auf dem Display des Smartphones bei maximalem Zoom, bis es mit dem eingeblendeten Fadenkreuz übereinstimmt. Das dauert kaum länger als eine Minute.
Einmal initialisiert, zeigt die App auf dem Display die Blickrichtung des Teleskops auf einer zoombaren Sternkarte an. Pfeile weisen den Weg zu ausgewählten Objekten, so findet sich jeder Einsteiger zurecht. Die Kartenansicht lässt nichts zu wünschen übrig, Celestron hat StarSense mit der Firma Simulation Curriculum entwickelt, deren Planetariums-App SkySafari vielen als Goldstandard gilt.
Die App generiert eine Liste aktuell sichtbarer Objekte und hilft so bei der Auswahl der kosmischen Reiseziele: Planeten, hellere Nebel und Galaxien, Sternhaufen und Doppelsterne. Das Teleskopmodell kann frei ausgewählt werden, die App schlägt dann passende Objekte vor.
Während der Beobachtung benötigt das Smartphone keinen Zugang zum Mobilfunknetz. Es muss auch nicht via WLAN oder Bluetooth mit dem Teleskop verbunden sein, das funktioniert rein mechanisch.
Ein fliegender Teppich für Kinder
Wir wollen das Teleskop in der Praxis testen. Was eignet sich dafür besser als ein Teleskoptreffen mit vielen astronomisch interessierten Besuchern?
Während wir noch im Gespräch mit Erwachsenen vertieft sind, nehmen die anwesenden Kinder das Teleskop in Besitz. Ein stabiler Beobachtungstuhl sorgt für den richtigen Einblick, mehr braucht es nicht. Die Kinder erkundeten die Gegend, peilen entfernte Windräder, Kirchtürme und Heißluftballone an. Das Bild im Okular ist klar und scharf und zeigt nur wenig Farbsäume, die Gipfelaufbauten und Pfeiler der 70 km entfernten Zugspitze sind klar zu erkennen.
Hilfe brauchen die 5 bis 8 Jahre alten Kinder keine, unsere Angebote werden höflich, aber bestimmt abgelehnt. Für sie ist das Teleskop ein Werkzeug für ihren natürlichen Forscherdrang. Die azimutale Montierung und das aufrechte und seitenrichtige Bild machten das möglich, intuitiv wird der Tubus mit dem Leuchtpunktsucher zum nächsten Ziel gesteuert.
Bitte beachten: Steht die Sonne am Himmel, muss ein Erwachsener aufmerksam und ich Reichweite sein. Ein einziger Blick kann zu schweren Augenschäden bis hin zur Erblindung führen. Ein gegen die Sonne abgeschirmter Beobachtungsplatz schafft Sicherheit.
Es wird dunkel, jetzt kommt das Smartphone ins Spiel.
Wie das Teleskop funktioniert – und was Sie lieber tauschen sollten
Die App schlägt sinnvolle Ziele vor: Der offene Sternhaufen Messier 25, die Andromeda-Galaxie, der Doppelhaufen im Perseus, das Galaxienpaar M 81 und 82, der Kugelsternhaufen M 13 im Herkules und einige mehr. Nach einer Weile erscheint Saturn über dem Horizont – und in der Liste.
Tippt man auf ein Objekt, werden zunächst einige Informationen eingeblendet. Dann geht es mit "Finden" in die Kartenansicht. Pfeile zeigen den Weg zum Objekt, bei Annäherung zoomt die Karte automatisch näher heran. Ziele können auch direkt in der Kartenansicht ausgewählt werden.
Hält man in der Nähe des Objektes inne, wird die die Position nachgeschärft. Die Farbe des Zielkreuzes wechselt von Rot (Teleskop in Bewegung) über Gelb zu Grün (Objekt im Okular sichtbar). Die Sternmustererkennung funktioniert richtig gut und zudem erstaunlich schnell. Meist ist die Position nach wenigen Sekunden gefunden.
Hellt der Mond den Himmel auf bekommt das System Probleme, darauf weist die App auch hin. Ist der kleine Wagen auf drei Sterne geschrumpft schlägt die Stunde des Leuchtpunktsuchers – oder man macht es sich mit einem guten Astro-Buch gemütlich, für Deep Sky-Beobachter ohnehin ein eingeübter Reflex.
Die Okulare kommen mit passenden Brennweiten, taugen aber nur für die allerersten Schritte. Sterne sind nur im Zentrum des Gesichtsfeldes scharf abgebildet, das Fokussieren geht nicht leicht von der Hand. Die beiliegende 2x-Barlow kann man getrost entsorgen, soviel Vergrößerung geben Optik und Montierung nicht her.
Wir ersetzen das 25 mm Set-Okular durch ein 20 mm Super Plössl. Das Bild gewinnt deutlich, auch das leichte Plus an Vergrößerung passt. Das beiliegende 10 mm funktioniert besser, auch hier empfehlen wir den Austausch zumindest im zweiten Schritt.
Ersetzt man die Okulare und bleibt mit seinen Erwartungen realistisch gibt es an der Optik nichts zu meckern. Die konservative Auslegung mit f/10 hält die Farbsäume um helle Objekte in Grenzen, leider bedingt sie bei der kleinen Öffnung ein recht dunkles Bild. Schauen wir mal, was man damit sehen kann.
Test am Sternhimmel
Wir starten zunächst mit den Vorschlägen aus der App. Schnell finden wir Spaß an der Sache und schauen, wie das kleine Teleskop anspruchsvollere Objekte zeigt.
- Der Mond ist mit dem Leuchtpunktsucher schnell gefunden, er ist ein Paradeobjekt für kleine und langsame Optiken und macht auch im LT 70 AZ etwas her
- Die großen Planeten Jupiter und Saturn sind ebenfalls tolle Ziele, Jupiter zeigt deutlich zwei Wolkenbänder und das Karussell seiner hellen Monde
- Der helle Kern der Andromeda-Galaxie M 31 ist gut zu erkennen, zum Scharfstellen hilft es das Feld etwas zu verschieben, bis ein hellerer Stern auftaucht
- Der Doppelsternhaufen h & chi im Perseus gibt sich zurückhaltend, der vertraute "Diamanten auf schwarzem Samt"-Effekt stellt sich erst mit etwas Geduld ein
- Der große Kugelsternhaufen M 13 im Herkules erscheint im 20 mm Okular als runder Nebelfleck, mit dem 10 mm sieht man indirekt erste Einzelsterne aufblinken
- Bodes Nebel M 81 ist eine kleine und helle Spiralgalaxie und im Teleskop direkt sichtbar, vermutlich aber kein Aha-Erlebnis für Einsteiger; die schwächere Nachbarin M 82 geht indirekt, toll, dass wir sie mit der kleinen Optik sehen können
- Der weit entfernte Sternhaufen NGC 7789 "Caroline's Rose" ist nur indirekt als Aufhellung sichtbar, er erscheint auch in größeren Optiken eher zurückhaltend
- Das Sternmuster Kemble's Cascade ist ausschnittweise sichtbar, hier macht sich das kleine Gesichtsfeld der f/10-Optik und der Okulare bemerkbar; dafür ist der kleine offene Haufen NGC 1502 am Ende der Sternenkette gut zu erkennen
- Der offene Sternhaufen M 34 im Perseus besteht aus wenigen hellen Sternen, hier zeigt sich das kleine Celestron von seiner besten Seite
- Genial präsentiert sich auch der Eulenhaufen, zumindest für den etwas fortgeschrittenen Beobachter: die zwei hellen Augen schauen uns an, Körper und Flügel glänzen mystisch in feinem Funkeln
Ist mal ein Baum im Weg zeigt sich ein weiterer Vorteil der Navigationslösung: Spontanes Umstellen des Teleskops ist kein Problem, ohne Neueinrichtung ist die App schnell wieder im Bilde.
Nicht überzeugen kann uns das leichte und wackelige Stativ. Die Ausschwingzeiten nach dem Fokussieren liegen bei 7-8 Sekunden. Hält man das Tubusende fest, gewinnt das Bild zumindest bei kleinen Vergrößerungen ein wenig an Stabilität.
Unsere Einschätzung
Die StarSense-Navigation funktioniert. Sie macht die Orientierung am Himmel ohne Vorkenntnisse und Vorbereitung möglich und kann ohne Einschränkung empfohlen werden. Das Teleskop ist denkbar einfach, wir hatten trotzdem viel Spaß damit.
Einsteiger lernen Ziele kennen, müssen sich aber Zeit nehmen sie auch zu erkennen. Die kleine Optik kann etwas zeigen, dazu muss man sich auf sie einlassen. Wer von Objekt zu Objekt springt und immer neue Highlights erwartet wird eher enttäuscht sein.
Es wäre schön etwas über die Zahl der gespeicherten Objekte zu erfahren, immerhin haben wir bei unserem Test keins vermisst. Der Messier- und Caldwell-Katalog können direkt aufgerufen werden, unsere Liste von 40 NGC- und IC-Zielen für den Herbst wird ohne Ausnahme gefunden. Für viele Ziele sind Bilder hinterlegt.
Für Kinder ist das Teleskop gut geeignet, den Himmel und den Umgang mit der Optik intuitiv kennenzulernen, eine Mischung aus Spiel und Himmelserkundung. Trotz der App und der einfachen Navigation sollten sie aber an die Hand genommen werden und Eltern sollten den Kindern zusätzlich erklären, was sie sehen, zum Beispiel mit einem Buch über Astronomie für Kinder oder eigenem Wissen, dass sie über die Sterne haben.
Die Hardware des LT 70 AZ muss angesichts des Preises viele Kompromisse machen. Einem Einsteiger würde man ein helleres Bild wünschen, dazu bräuchte es mehr Öffnung oder eine schnellere Optik. Das leichte Stativ fällt bei der Tagbeobachtung nicht so sehr ins Gewicht, am Nachthimmel braucht es schon etwas Geduld, um über die Beschränkungen hinwegzusehen.
Wer etwas mehr ausgeben kann sollte sich die Kombination der Navigationslösung mit einem 130 oder 150 mm f/5 Tischdobson ansehen, sie bringt mehr Öffnung, ein größeres Gesichtsfeld und ein stabileres Bild. Etwas Budget für Nachrüst-Okulare muss auf jeden Fall eingeplant werden, die beiliegenden können am Nachthimmel nicht zufriedenstellen.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass visuelle Beobachter mit richtig großen Dobsons Celestrons Navigationslösung als "Sucher" entdeckt haben. Da die Dock/App-Lösung nur mit Teleskop erhältlich ist, ist das LT 70 AZ für sie der günstigste Weg zum Ziel.
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Autor: Marcus Schenk
Marcus ist Sterngucker, Content Creator und Buchautor. Seit 2006 hilft er Menschen, das richtige Teleskop zu finden - heute über Texte und Videos. In seinem Buch "Mein Weg zu den Sternen für dummies Junior" zeigt er jungen und junggebliebenen Leuten, was sie am Himmel entdecken können.
Als Kaffee-Junkie hätte er am liebsten seine Siebträger-Espressomaschine auch unter dem Sternenhimmel dabei.