Leier
Das kleine, aber helle Sommersternbild ist berühmt für den Ringnebel M 57 und den "doppelten Doppelstern" Epsilon Lyrae.
Obwohl die Leier zu den kleinsten der 88 Sternbilder des Himmels gehört, zählt sie dennoch mit ihrer auffälligen Parallelogramm-Form und dem hellsten Stern des Sommers zu den markantesten Konstellationen. Deshalb bildet die Wega der Leier auch einen der Ecksterne des großen Sommerdreiecks; zusammen mit Deneb im Schwan und Altair im Adler. Wie der Sternbildname andeutet, sah man schon in der Antike in der Sternen-Raute ein Saiteninstrument, das je nach Quelle als Leier (des Hermes und Orpheus), Harfe oder Zither bezeichnet wird. Für die mythische Erfindung des Musikinstruments benutzte Götterbote Hermes u. a. einen Schildkrötenpanzer, wie es etwa in einer um 270 v. Chr. entstandenen Beschreibung des Sternbilds heißt.
Der Name Wega verweist allerdings auf ein anderes in der Antike weit verbreitetes Sternbild-Motiv, denn er leitet sich vom arabischen Wort "al Waki" (der Fallende) ab, was sich auf einen Geier oder Adler bezieht. Auf alten Sternkarten ist das Musikinstrument sogar manchmal mit einem Greifvogel abgebildet.
Jung, wild und heilend
Ebenfalls im antiken babylonischen/assyrischen Reich sah man in der heutigen Konstellation mit der hell strahlenden Wega die Figur einer Ziege (Enzu im Akkadischen), die der Heilgöttin Gula zugeordnet wurde. Denn wie alten Tontafeln erzählen, war das Licht heller Gestirne eine wichtige (göttliche) Zutat in medizinischen Ritualen der Assyrer. So ist beispielsweise ein Rezept für eine Pferde-Arznei erhalten, nach dem eine Mischung aus 23 Kräutern und Aromen in Bier eingeweicht, "nachts im Angesicht des Ziegensterns gestellt" und morgens gekocht und mit Honig weiterverarbeitet werden soll.
Heute dagegen findet man das nur 25 Lichtjahre entfernte Sternsystem u. a. in dem großartigen Science-Fiction-Film "Contact" (basierend auf Carl Sagans Roman), in dem ein künstliches Funksignal von der Wega empfangen wird. Allerdings ist der Stern wissenschaftlich gesehen mit einem Alter von ungefähr 400 Millionen Jahren noch viel zu jung für Planeten mit intelligenten Aliens. Denn das ferne Sonnensystem befindet sich in einer Sturm-und-Drang-Zeit: Es ist von staubreichen Zonen umgeben, die durch verdampfende Kometen und kollidierende Asteroiden sowie Zwergplaneten entstehen.
Zwei Messiers und ein Doppel-Doppel
Das Deep-Sky-Highlight der Leier und ein Paradeobjekt der planetarischen Nebel ist M 57. Als Sternchen der 9. Größenklasse ist es schon mit einem Fernglas erreichbar, während ein kleines 100mm Teleskop einen zarten Nebelring zeigt. Deshalb wird der vor fast 240 Jahren entdeckte M 57 oft nur als "Ringnebel in der Leier" bezeichnet. Selbst als bekannt war, dass der Nebelring aus Gas besteht, gab es noch Anfang des 20. Jahrhunderts Vermutungen, dass man hier ein entstehendes Planetensystem vor Augen hat. Doch eigentlich markiert der Nebel das Lebensende eines sonnenähnlichen Sterns. Es ist die äußere Hülle eines erloschenen Sterns, die von dem einstigen Sternkern – als Weißer Zwerg bezeichnet – mit energiereicher UV-Strahlung zum Leuchten angeregt wird.
Mit dem 12,6 Milliarden Jahre alten Kugelsternhaufen M 56 lockt noch ein weiteres Messier-Objekt. Und auch der doppelte Doppelstern ε Lyr ist immer einen Abstecher wert. Für das Sternpaar reicht bereits ein Fernglas, doch erst mit Teleskop und hoher Vergrößerung zeigt sich, dass beide Sterne nochmals doppelt sind.
Autor: Nico Schmidt / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH