Das Flash-Spektrum der Chromosphäre
Spektroskopie bei einer Sonnenfinsternis
Eine totale Sonnenfinsternis bietet die Gelegenheit, ein Emissionsspektrum der Chromosphäre zu gewinnen.
Spektakuläre Fotos der Sonnenkorona machen und ein außergewöhnliches Bild der Chromosphäre: ein sogenanntes Flash-Spektrum!
Bei der alltäglichen Sonnenbeobachtung dominieren das Licht der Photosphäre und auch das Streulicht, das unsere Atmosphäre verursacht. Die Emissionslinien der Chromosphäre bleiben unsichtbar, denn ihr Leuchten ist viel schwächer, da es in alle Richtungen abgegeben wird. Es fällt nur auf, wenn die Chromosphäre über dem Sonnenrand isoliert betrachtet und dadurch das Leuchten verschiedener Elemente im Plasma der oberen Schichten sichtbar wird. Solche Beobachtungen sind aber nur mit größerem technischen Aufwand möglich.
Neues Element
Anders ist es, wenn der Mond die Sonnenscheibe abdeckt. Eine totale Sonnenfinsternis bietet daher die ideale Gelegenheit, mit einfachen Mitteln ein Emissionsspektrum der Chromosphäre zu gewinnen. Gelingt dies, erhält man nebeneinander aufgereiht mehrere Abbildungen der Chromosphäre in verschiedenen Farben, die jeweils ihren Ursprung in einer Emissionslinie haben. Dominant sind die Wasserstofflinien der Balmerserie, Kalzium H und K und das einfach ionisierte Helium. Letzteres wurde mittels dieser Methode im Jahr 1868 als Element entdeckt.
Die Bezeichnung "Flash-Spektrum" stammt von C.A. Young (1870) und erklärt sich mit der kurzen Zeitspanne, während der die Emissionslinien der Chromosphäre aufleuchten. Im Verhältnis zum Durchmesser der Sonne ist die Chromosphäre nur eine dünne Schicht. Da die totale Phase insgesamt nur wenige Minuten dauert, beträgt die Phase, in der die Chromosphäre optimal sichtbar ist, nur wenige Sekunden. Die Chromosphäre hat von uns aus gesehen einen Winkeldurchmesser von nur etwa 10". Aufgrund der hohen Eigenbewegung des Mondes ist eine gute zeitliche Abstimmung bei der Fotografie notwendig. Das Flash-Spektrum muss direkt zu Beginn oder zum Ende der Totalität aufgenommen werden.
Auch die Korona besitzt als heißes, dünnes Gas ein Emissionslinienspektrum. Es weist aufgrund der höheren Temperatur aber andere Linien als die Chromosphäre auf. Da die Korona jedoch keine so scharfen Strukturen besitzt, ist das resultierende Spektrum bei ihr diffus und Emissionslinien sind ohne Verwendung eines Spalts nur schwer bis gar nicht zu identifizieren.
Das Spektrum erzeugen
Für das Zerlegen des Lichts in seine Farben wird die spaltlose Spektroskopie angewendet, bei der das gesamte Abbild der Chromosphäre aufgespalten wird. Eine kostengünstige Realisierung gelingt mit einem Transmissionsgitter, einem planparallelen Glas mit vielen feinen parallelen Riefen oder dunklen Linien, an denen das Licht gebeugt und zur Interferenz gebracht wird. Solche Gitter gibt es in Standard 1,25" Filterfassungen im Handel, womit sich das Gitter leicht in den Strahlengang integrieren lässt. Für Flash-Spektren sind Blaze-Gitter gegenüber normalen Gittern mit dunklen Linien aufgrund der begrenzten Zeit von großem Vorteil, da bei ihnen die Lichtausbeute im Spektrum besonders hoch ausfällt.
Für ein schönes Ergebnis, das das Spektrum der Chromosphäre (1. Beugungsordnung) zusammen mit der "normalen", verfinsterten Sonne (0. Ordnung) zeigt, muss der Abstand zwischen Chip und Gitter optimal gewählt werden. Der Beugungswinkel hängt von der Wellenlänge λ und der Anzahl der Gitterlinien pro Millimeter L ab. Die am weitesten verbreiteten Gitter weisen 100 oder 200 Linien/mm auf. Wie groß der Abstand x zwischen der 0. Ordnung und einer bestimmten Wellenlänge der 1. Ordnung in der Brennebene ist, lässt sich mit folgender Formel in mm berechnen:
x = d * λ * L * 1000000
Dabei ist d der Abstand zwischen Gitter und Chip in mm und die Wellenlänge wird in nm eingesetzt, z. B. 400nm für das blaue oder 700nm für das rote Ende des Spektrums. So kann berechnet werden, ob alles auf den Sensor passt.
Beispiel: Ein Gitter mit 100 Linien/mm wird in einen 1,25" Stutzen geschraubt, der wiederum über einen T-Ring mit einer DSLR verbunden ist. Mit den typischen Auflagemaßen ergibt sich insgesamt ein Gitter-Chip-Abstand von etwa d = 90mm. Die Hα-Linie bei 656nm wird auf dem Chip folglich 5,9mm entfernt von dem Objekt bzw. der 0. Ordnung dargestellt. Testen lässt sich die Methode ganz ungefährlich bei Objekten wie einem hellen Stern oder dem Mond. Mit recht einfachen Mitteln lässt sich ein Flash-Spektrum der Chromosphäre als eine schöne Ergänzung zu den "pretty pictures" herstellen. Zugleich kann die Methode der historischen Entdeckung des Heliums vor fast 150 Jahren nachvollzogen werden.
Autor: Mario Weigand / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH