Korona in voller Pracht
HDR-Komposit einer Sonnenfinsternis
Eine totale Sonnenfinsternis ist visuell viel beeindruckender als ein Foto mit Digitalkamera. Wie können Sie das besser hinbekommen?
Eine totale Sonnenfinsternis ist visuell deutlich beeindruckender als das, was mit den aktuellen Digitalkameras ohne fortgeschrittene Verfahren abgebildet werden kann. Dies liegt an den besonderen Eigenschaften des Auges. Im Gegensatz zu den linearen Kamera-Chips mit einheitlicher Empfindlichkeit nimmt das Auge Helligkeitsunterschiede logarithmisch wahr und passt sich dynamisch an. Die feinen "Fasern" der Korona sehen wir problemlos vom schwarzen Rand der Mondscheibe bis mehrere Sonnenradien weit in den tief dunkelblauen Himmel. Die fotografische Dokumentation des Gesehenen stellt eine aufnahmetechnische Herausforderung dar.
Um die Korona bestmöglich entsprechend dem visuellen Anblick darzustellen, muss ihr hoher Kontrast komprimiert werden. Dies gelingt jedoch nicht mit nur einer einzigen DSLR-Aufnahme. Stattdessen wird die hohe Dynamik durch Kombination verschiedener Belichtungen zu einem High-Dynamic-Range-Komposit (HDR) erfasst. Grundvoraussetzung ist also eine Belichtungsreihe, die die verschiedenen Bereiche der Korona abdeckt. Je nach Lichtstärke der Optik und eingestellter ISO-Zahl liegen die Belichtungszeiten typischerweise zwischen 1/1000s für den innersten Bereich und wenigen Sekunden für ausladende Koronastrahlen. Belichtungszeit-Richtwerte für das eigene Equipment lassen sich mithilfe des Online-Rechners von Xavier Jubier ermitteln. Eine Belichtungsreihe für ein HDR-Komposit besteht aus rund zehn Aufnahmen mit verschiedenen Belichtungszeiten zwischen den beiden Extremwerten.
Ein geeignetes Programm für die Verarbeitung einer solchen Bildserie ist Luminance HDR, das kostenfrei heruntergeladen werden kann. Der Arbeitsablauf besteht aus zwei Phasen, die im Folgenden beschrieben werden.
HDR-Bild erstellen
Nach dem Start von Luminance HDR wird über "Neues HDR-Bild" in der Menüleiste eine RAW-Bildserie geladen. Neben den Namen der geladenen Dateien werden nun deren Belichtungswerte (EV) aufgelistet. Diese Werte sind für das Berechnen des HDR-Bildes erforderlich und gewöhnlich in den Metadaten der Bilder enthalten. Jegliche Anti-Ghosting-Funktionen sind irrelevant für ein Sonnenfinsternis-Komposit und sollten deaktiviert bleiben. Bevor das Komposit erzeugt werden kann, gilt es noch die Bildausrichtung zu optimieren. Das Aufnehmen einer Belichtungsreihe dauert zwar nur wenige Sekunden, trotzdem kann es bei schlecht eingerichteter Nachführung zu einem geringfügigen Versatz zwischen den Bildern kommen. Daher sollte für ein schönes Ergebnis die Bildausrichtung sorgfältig geprüft werden. Die automatische Ausrichtung des Programms eignet sich dafür jedoch leider nicht. Für eine manuelle Ausrichtung muss ein Haken bei "Fortgeschrittene Bearbeitungswerkzeuge" gesetzt werden. Im nächsten Dialogfenster hilft eine Differenzbild-Ansicht dabei, die Aufnahmen pixelgenau zu überlagern. Ist die Ausrichtung aller Bilder korrekt, wird im letzten Schritt vor der HDR-Berechnung noch das HDR-Profil ausgewählt. Es stehen sechs verschiedene Profile zur Verfügung, wobei vor allem von Profil 3 abzuraten ist, da es keine sauberen Übergänge produziert. Sehr gute Komposite gelingen mit den Profilen 1, 2 und 6, die in dieser Reihenfolge eine wachsende Unterdrückung der hellen Partien liefern.
Umsetzung als LDR-Bild
Im zweiten wichtigen Schritt gilt es, das HDR-Bild in einen niedrigeren Dynamikbereich zu übersetzen, auch bekannt als Tone Mapping. Generell sollte für die weitere Arbeit der Haken bei "Auto Levels" entfernt werden, da die Automatik keine guten Resultate liefert. Mit "Pre-gamma" kann die Gradationskurve vor der Dynamikkompression beeinflusst werden. Dies ist optional und der Wert kann erst einmal bei 1,0 belassen werden.
Für die Dynamikkompression bietet die Luminance HDR verschiedene "Operatoren". Die Vorschauen dafür sind in der rechten Bildleiste zu sehen. Diese sehen aber im Allgemeinen nicht gut aus und es ist mühsam, die verschiedenen Varianten und Parameter auszuprobieren. Der Operator "Reinhard '05" liefert jedoch in der Regel sehr schöne Resultate und ist daher zu empfehlen. Außerdem gibt es hier nur drei einfache Parameter einzustellen. Neben dem selbsterklärenden Helligkeitsregler wird über die "Chromatische Anpassung" die Farbsättigung beeinflusst. Kommt zu viel Farbrauschen in den dunkleren Bereichen durch, muss der Wert erhöht werden. Wie stark die dunklen Partien des Bildes angehoben werden, bestimmt schließlich der Parameter "Lichtanpassung". Dessen Wert ist eher hoch einzustellen. Den limitierenden Faktor bildet hier ebenfalls das Bildrauschen in den dunklen Bereichen.
Zu guter Letzt kann bei Bedarf über "Werte anpassen" in der Hauptmenüleiste eine zusätzliche Tonwertkorrektur durchgeführt werden. Anschließend ist das gewünschte Low-Dynamic-Range-Bild (LDR) fertig und wird über "Speichern unter" z. B. als TIFF oder JPEG exportiert.
Fazit
Der Vorgang des Tone Mapping orientiert sich stark an der Physiologie des Sehens. Auch wenn das Seherlebnis noch nicht perfekt nachgebildet werden kann, gelingt mit der HDR-Technik eine Darstellung der Korona, die dem visuellen Anblick schon recht nahekommt.
Autor: Mario Weigand / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH