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Praxis

Es geht auch ohne Nachführung!

Astrofotografie für unterwegs

Eindrucksvolle Aufnahmen der Milchstraße gelingen auch ohne umfangreiche Ausrüstung. Software hilft dabei!

Eine Aufnahme des Sternbildes Skorpion, die ohne Nachführung gewonnen wurde. Die Brennweite betrug 50mm und die Belichtungszeit
7s bei ISO 3200 und f/1,8. Die verwendete Canon EOS 5D Mark II hat eine Pixelgröße von 6,4μm, womit sich vor der Bildverkleinerung eine Spurlänge
von 4 Pixeln ergibt. Für dieses Ergebnis wurden 15 Einzelbilder gestackt. M.Weigand Eine Aufnahme des Sternbildes Skorpion, die ohne Nachführung gewonnen wurde. Die Brennweite betrug 50mm und die Belichtungszeit 7s bei ISO 3200 und f/1,8. Die verwendete Canon EOS 5D Mark II hat eine Pixelgröße von 6,4μm, womit sich vor der Bildverkleinerung eine Spurlänge von 4 Pixeln ergibt. Für dieses Ergebnis wurden 15 Einzelbilder gestackt. M.Weigand

Bei der Astrofotografie ist der technische Aufwand heute zum Teil sehr hoch. Schöne Ergebnisse lassen sich aber auch schon mit sehr einfachen Mitteln erzielen. Dies ist insbesondere für all diejenigen interessant, die auch im Urlaub ihrem Hobby nachgehen wollen. Eine umfangreichere Ausrüstung mitzunehmen, ist da oft schwierig. Insbesondere eine Montierung zur Nachführung passt meistens nicht mehr in den Reisekoffer. Was ist also auch ohne Nachführung in der Astrofotografie möglich?

Die Deep-Sky-Fotografie mit langen Brennweiten lässt sich ohne Nachführung natürlich nicht realisieren. Dafür aber beispielsweise Aufnahmen der Milchstraße, die mit unzähligen Nebeln, Dunkelwolken und Sternhaufen geschmückt sind. Für ein ästhetisches Bild sollten die Sternstrichspuren dabei nicht zu lang werden. Die Länge der Sternspuren auf einem Bild hängt von mehreren Faktoren ab. Sie lässt sich mit der folgenden Abschätzungsformel leicht in Pixeln ausrechnen:

Spurlänge in Pixeln = 0,0727 * f * t * cos(δ) p

Dabei sind f die Brennweite in mm, t die Belichtungszeit in Sekunden, δ die Deklination des Objekts in Grad und p die Größe der Pixel in μm. Strichspuren sind nah am Himmelsäquator am längsten, hier ist die Deklination 0° und der Kosinus ergibt 1.

Die richtige Belichtungszeit

Möchte man beispielsweise das Sternbild Schütze mit einem 35mm Objektiv und 5μm großen Pixeln fotografieren, hat man nach vier Sekunden Belichtungszeit eine Spurlänge von zwei Pixeln. Die maximal akzeptable Spurlänge richtet sich auch danach, ob die Aufnahme im Nachhinein sowieso in ihrer Auflösung reduziert werden soll. Dann dürfen die Sternspuren durchaus einige Pixel lang werden, bzw. man kann mit entsprechend größeren Pixeln rechnen.

Die Fotografie mit Teleobjektiven im 200mm Bereich stellt die Grenze des Machbaren dar. Hier ist die Spurlänge bei Belichtungszeiten im Bereich von einer Sekunde gerade noch akzeptabel. Von den hellsten Deep-Sky-Objekten, wie zum Beispiel M 31 und M 42, lassen sich ohne Nachführung Bilder erstellen, die einiges an Details zeigen. Für ein gutes Signal-zu-Rausch-Verhältnis sind dazu allerdings mehrere hundert Aufnahmen nötig, die bei der Bearbeitung gemittelt werden.

Blende und ISO

Neben der richtigen Belichtungszeit stellt sich auch die Frage nach den optimalen Kameraeinstellungen und der Objektivblende. Normalerweise werden selbst teure Fotoobjektive in der Astrofotografie teilweise bis f/5,6 abgeblendet, denn nichts lässt Aberrationen so deutlich hervortreten wie helle Punkte mit dunklem Hintergrund. Um möglichst viel Signal in kurzer Zeit auf dem Chip zu erzeugen, ist jedoch eine weit geöffnete Blende erforderlich. Ohne Nachführung müssen also unter Umständen Abstriche bei der Qualität der Sternabbildung in Kauf genommen werden, wobei der beste Kompromiss für jedes Objektiv individuell durch eine kleine Testbildreihe gefunden werden muss.

Die ISO-Einstellung ist der zweite wichtige Parameter, sie sollte ungewöhnlich hoch auf mindestens 1600 gesetzt werden, je nach Rauschverhalten der Kamera auch deutlich höher. Die maximal sinnvolle Einstellung ist auch von der Temperatur abhängig, in kalten Nächten können höhere Werte verwendet werden.

Weiterhin sollte die Kamera im RAW-Modus und ohne jegliche interne Bildverarbeitung betrieben werden.

Strichspuren korrigieren

Nicht zuletzt hilft auch die Software: Das kostenfrei erhältliche Fitswork ermöglicht zum Beispiel das Zurückrechnen von Strichspuren. Dafür muss das Bild über den Menüpunkt "Bearbeiten – Bildgeometrie – Bild rotieren" so gedreht werden, dass die Strichspuren horizontal verlaufen. Unter "Bearbeiten – Spezielle Filter" geht es schließlich zur gewünschten Funktion. Über den Regler "Horizontale Breite" wird der Filter auf die Spurlänge angepasst und "Schwelle" begrenzt die Helligkeit der Bildteile, die korrigiert werden. So können Artefakte im Hintergrund verringert, bei stärkerer Korrektur aber nicht ganz vermieden werden.

Fitswork bietet noch eine weitere Möglichkeit, verzogene Sterne zu korrigieren. Dazu kann die Funktion "Bearbeiten – Schärfen – Sternradius verkleinern" genutzt werden. Auch in diesem Fall müssen die Strichspuren horizontal orientiert sein. Wichtig ist dann in den Filtereinstellungen einen Haken bei "Nur horizontal" zu setzen. Der Regler "Sterne ausblenden" ermöglicht zudem eine weichere Sterndarstellung, sodass diese nicht wie ausgestanzt wirken. Die Ergebnisse sind hier meist weniger mit Artefakten behaftet.

Eine Aufnahme des Sternbildes Skorpion über den Alpen (links). Die Aufnahme zeigt auch verkleinert noch deutlich verzogene Sterne.
Die mittlere Ansicht zeigt das Ergebnis der Funktion "Strichspuren zurückrechnen" mit den verwendeten Einstellungen. Rechts sind die Einstellungen
und das Ergebnis der Funktion "Sternradius verkleinern" zu sehen. M.Weigand Eine Aufnahme des Sternbildes Skorpion über den Alpen (links). Die Aufnahme zeigt auch verkleinert noch deutlich verzogene Sterne. Die mittlere Ansicht zeigt das Ergebnis der Funktion "Strichspuren zurückrechnen" mit den verwendeten Einstellungen. Rechts sind die Einstellungen und das Ergebnis der Funktion "Sternradius verkleinern" zu sehen. M.Weigand

Welche der Methoden das schönere Ergebnis produziert, muss ausprobiert werden. Weiterhin hat diese Technik auch Grenzen: Beide Funktionen sind nur für leicht verzogene Sterne zu empfehlen, da bei stärkerer Korrektur ungewollte Artefakte entstehen. Auch können mit Fitswork nur lineare Strichspuren zurückgerechnet werden. Bei Objektiven mit kurzen Brennweiten oder wenn das Motiv nah einem der Himmelspole liegt, sind die Strichspuren oft gekrümmt. Dann ist diese Korrektur nicht möglich.

Fazit

Es lassen sich auch ohne Nachführung erfolgreich und mit Weitwinkelobjektiven auch recht tiefe Aufnahmen gewinnen. Bei leicht verzogenen Sternen kann die Software helfen.

Autor: Mario Weigand / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH