ISS-Transit vor Sonne und Mond. Durchführung und Bildbearbeitung
Die Aufnahmen sind gemacht, jetzt geht es an die Bildverarbeitung. Hier zeigt sich: Jeder Transit ist anders.
In der Praxis: die Dokumentation eines Transits der Internationalen Raumstation ISS vor Sonne oder Mond
Auch wenn der Vorbeiflug der Internationalen Raumstation ISS vor der Sonne oder dem Mond nur zwischen 0,6 und 3 Sekunden dauert, ist die Fotografie eines solchen ISS-Transits eine spannende Herausforderung für Amateurastronomen.
Bedingt durch die Flugbahn der ISS gibt es Beobachtungsphasen, bei denen innerhalb weniger Tage mehrfach eine Beobachtung oder Fotografie der ISS vor der Sonne oder dem Mond möglich ist – wenn man bereit ist, ein paar Kilometer zu fahren, um auf der jeweiligen Zentrallinie des Überflugs beobachten zu können. Auch auf die Bedeutung einer schnellen Kamera mit hoher Bildfolge wurde hingewiesen. Nun geht es um die eigentlichen Aufnahmen und die anschließende Bildverarbeitung.
Auf zur Zentrallinie
Wenn die Zentrallinie des Überflugs ermittelt wurde, sollte man sich durch die Entfernungsangaben in den mit CalSky.com errechneten Daten nicht täuschen lassen: Da sich die Angaben auf die Luftlinie beziehen, sollten die Koordinaten des geplanten Beobachtungsortes schon am Vortag der Beobachtung ins Navigationsgerät eingegeben werden, um zu sehen, wie lang die Reise zum Beobachtungsort tatsächlich dauern wird. Nach einem letzten prüfenden Blick auf die dort zu erwartenden Wetterbedingungen kann das Equipment eingepackt werden: Neben einem stabilen Stativ und einer tragfähigen Montierung (mit elektrischer Nachführung), der Beobachtungsoptik, der Kamera sowie einem Notebook zur Steuerung der Kamera sind ein Kompass (meist im Smartphone schon vorhanden) und eine sekundengenaue Uhr notwendig. Auch hier eignet sich ein Smartphone gut, da es seine Uhrzeit über GPS-Satelliten abgleicht
Um ausreichend Zeit zu haben, sich am geplanten Beobachtungsort zu orientieren und in Ruhe das Equipment aufzubauen, ist es ratsam, die Fahrt so zu planen, dass man 30 bis 60 Minuten vor dem Transit am Beobachtungsort ankommt. Auch wenn der eigentliche Transit nur wenige Sekunden dauern wird, sollte die übliche Sorgfalt beim Aufbau und Ausrichten des Equipments walten. Ein Okular hilft zunächst Sonne bzw. Mond im Teleskop zu zentrieren, ehe die Kamera eingesetzt wird. Sorgfältiges Fokussieren der Sonne wird erleichtert, wenn ein Tuch (oder eine Jacke) genutzt werden können, um eine direkte Sonneneinstrahlung auf dem Display zu vermeiden. Mondlicht ist hingegen meist so schwach, dass ein Fokussieren auch ohne eine Abdunkelung des Displays gelingt.
Da der errechnete Zeitpunkt des Transits sich auf einen exakten Punkt auf der Zentrallinie bezieht, ein Abweichen von diesem idealen Punkt um ein paar Meter (oder eine seit der Berechnung erfolgte Korrektur der Flugbahn der ISS) den Zeitpunkt des Transits jedoch um ein paar Sekunden verschieben kann, ist es ratsam, die Belichtungsreihe rund 30 Sekunden vor dem Transitzeitpunkt zu beginnen und den Transit auf dem Notebook-Display zu verfolgen. Nachdem der Flug der ISS auf dem Notebook sichtbar wurde, kann die Aufnahmesequenz beendet werden; ein Nachlauf ist nicht notwendig.
Bildbearbeitung
Bei Aufnahmen eines ISS-Transits mit einer CCD-Kamera werden die Aufnahmen in der Regel als ein zusammenhängender Film abgespeichert. Als erster Schritt der Bildverarbeitung sollten nun alle Bilder des Films einzeln betrachtet werden, um zu notieren, auf welchen Einzelbildern die ISS zu sehen ist (wenn die Aufnahmesequenz kurz nach dem Transit beendet wurde, bietet es sich natürlich an, mit der Sichtung des Films an dessen Ende zu beginnen). Die identifizierten Bilder mit der ISS sollten dann als Einzelbilder abgespeichert werden (hierzu eignet sich beispielsweise die entsprechende Funktion der Software Avistack), während alle Bilder ohne ISS auf die für die Sonnen- bzw. Mondfotografie übliche Weise verarbeitet bzw. gestackt werden können (beispielsweise mit der Software Autostakkert2).
Um aus den Einzelbildern der ISS und dem gestackten Summenbild eine Bildmontage des ISS-Transits zu erstellen, können zunächst alle Bilder in Photoshop als einzelne Ebenen in einer gemeinsamen Datei geöffnet werden (beispielsweise mit der Funktion "Datei – Scripte – Dateien in Stapel laden"). Um alle ISS-Abbildungen in einer Ebene sichtbar zu machen, bietet es sich an, alle Ebenen mittels "aufhellen" (bei Abbildungen einer hellen ISS vor dem dunklen Mond) bzw. "abdunkeln" (bei Bilder der dunklen ISS vor der hellen Sonne) ineinanderzublenden. So sind zwar alle Positionen der ISS in einer Ebene sichtbar, die Sonne bzw. der Mond sind jedoch noch nicht optimiert, dies geschieht in einem nächsten Schritt: Hierzu wird das gestackte Summenbild des Mondes bzw. der Sonne ohne ISS als oberste Ebene über die Ebene mit den ISS-Abbildungen gelegt und mit der (weichkantigen) Radiergummi-Funktion an den Stellen über den ISS-Einzelabbildungen die gestackte Mondoberfläche so wegradiert, dass die jeweils darunterliegende ISS-Abbildung sichtbar wird. Anschließend können die beiden Ebenen zusammengefügt und – beispielswiese bzgl. Kontrast oder Farbe – weiterverarbeitet und optimiert werden.
Fazit
Die Fotografie eines Transits der Internationalen Raumstation vor Sonne und Mond ist immer wieder spannend und bleibt auch nach ersten erfolgreichen Transit-Dokumentationen eine Herausforderung, da sich die ISS durch die unterschiedlichen Flughöhen und Entfernungen zum Beobachter immer wieder anders präsentiert und auch die Sonne durch verschiedene Fleckenkonstellationen uns stets ein anderes Aussehen präsentiert. Durch die verschiedenen Phasen im Monatsverlauf präsentiert sich ein ISS-Transit vor dem ab- oder zunehmenden Mond auch immer wieder unterschiedlich. Wenn Ihnen die Fotografie eines ISS-Transits gelingt, würden wir uns freuen, wenn Sie uns Ihre Bilder zusenden!
Autor: Ullrich Dittler / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH